Zwischen Flüchtlingskrise und Willkommenskultur

Donnerstag,
12
.11.
2015
 
Wien
BSA-JungjuristInnen

Sie waren das Thema des Sommers, der Wahlkämpfe in Oberösterreich und Wien und sind es nach wie vor: jene Menschen, die aus den Kriegsgebieten Syriens flüchten und in Europa um Asyl ansuchen.

Aber was bedeutet es, in der heutigen Zeit überhaupt ein „Flüchtling“ zu sein bzw. ist eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas möglich und inwieweit sind die EU bzw. internationale Organisationen gefordert, einzugreifen?

Auf diese und zahlreiche andere Fragen versuchten Sektionschef Dr. Gerhard Hesse, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, und Mag. Peter Hammer, Richter am Bundesverwaltungsgericht, im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung des BSA Antworten zu geben.

Fakt ist, dass sich die Situation in den Kriegsgebieten weiterhin verschlechtern wird und daher mit einer Abnahme des Flüchtlingsstroms zumindest in nächster Zeit nicht zu rechnen ist. Tagtäglich werden in Österreich 500 neue Asylanträge gestellt. Bis zum Ende des Jahres 2015 rechnet das Bundesministerium für Inneres mit insgesamt rund 85.000 neuen (!) Asylanträgen.

Angesichts der Vielzahl an Flüchtlingen werden natürlich auch jene Stimmen immer lauter, die eine Grenzsicherung in Form von technischen oder baulichen Maßnahmen verlangen. Doch ist es im Hinblick auf das „Schengener Abkommen“ überhaupt legitim, dass Österreich seine Grenzen durch wiedereingeführte Grenzkontrollen zu schützen versucht?

Dr. Hesse verwies in Beantwortung dieser Frage zunächst darauf, dass Österreich als Mitglied der EU grundsätzlich zu einer Sicherung der Grenzen berechtigt sei. Mit einem „Grenzmanagement“, bei welchem lediglich die Einreise der Flüchtlinge geordnet, nicht hingegen eine Sperre manifestiert werden solle, verstoße Österreich auch nicht gegen geltendes EU-Recht. Man müsse jedoch bedenken, dass es sich einerseits hierbei lediglich um eine temporäre Maßnahme handeln könne. Andererseits müsse man bedenken, dass eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen auch zu einem Anstieg der gestellten Asylanträge führt bzw. führen wird. Daher erfordere es jedenfalls Maßnahmen auf EU-Ebene, die Einreise der Flüchtlinge bereits vorab in geordnete Bahnen zu lenken.

Hierfür sei es geplant, die Flüchtlinge in sogenannten „hot-spots“ an ausgewählten Punkten der EU-Außengrenze zunächst grundlegend medizinisch zu betreuen und mit dem Notwendigsten an Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikel etc. zu versorgen. Darüber hinaus soll bereits im „hot-spot“ das Zulassungsverfahren abgehandelt werden. In weiterer Folge solle dann eine Auf- bzw. Zuteilung der für das Asylverfahren im EU-Raum zugelassenen Flüchtlinge nach Quoten in die einzelnen Mitgliedsstaaten erfolgen.

Damit werde, so Dr. Hesse, ein Ausgleich zwischen Humanität und Ordnung versucht.

Das eigentliche Asylverfahren, das heißt die Entscheidung darüber, ob tatsächlich eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegt, wird dann in dem Flüchtling zugeteilten EU-Mitgliedstaat durchgeführt werden.

Mag. Hammer erläuterte zunächst Grundlegendes zum Ablauf des Asylverfahrens. So erhalte in Österreich ein Fremder dann Asyl, wenn er in seinem Herkunftsstaat aufgrund der Rasse, Religion oder politischen Überzeugung der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sei. Hierzu habe er seine Fluchtgründe glaubhaft zu machen und auch darzulegen, dass er in seinem Herkunftsstaat keinen staatlichen Schutz erhalte bzw. sich nicht anderenorts in Sicherheit bringen könne.

Ist dem Fremden kein Asyl zu gewähren, besteht die Möglichkeit, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen. Damit wäre der Fremde zu einem befristeten Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Sollte auch die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht möglich sein, ist von einer Rückführung des Fremden – ausnahmsweise – Abstand zu nehmen, wenn er im Aufnahmestaat, beispielsweise durch das Vorliegen einer geregelten Tätigkeit, die Beherrschung der Amtssprache(n) oder aufgrund einer bereits gegründeten Familie, zu stark verankert bzw. verwurzelt ist. In diesem Fall ist eine Abwägung der persönlichen Interessen des Fremden an einem Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen vorzunehmen.

  

Hinsichtlich des rückwirkend eingeführten „Asyl auf Zeit“ und den Verschärfungen in Bezug auf den Familiennachzug sei jedoch, so Mag. Hammer, zu bedenken, dass eine Integration vielfach auch dadurch begünstigt werde, dass den Asylwerbenden im Aufnahmestaat gewisse Sicherheiten geboten werden sollten. Man denke hier vor allem an integrative Maßnahmen wie eine fixe Arbeitsstelle oder eine dauerhafte Unterkunft. Es ist daher fraglich, inwieweit eine tatsächliche und vollumfängliche Eingliederung des „Fremden“ möglich erscheint, wenn sein Aufenthalt befristet bzw. der Nachzug seiner Angehörigen erschwert oder gar über Jahre hinweg verweigert wird.

Abgesehen davon beinhalte ein „Asyl auf Zeit“ einhergehend mit der Möglichkeit der Verlängerung desselben auch einen gewissen bürokratischen Mehraufwand. Dieser werde sich aller Voraussicht nach dann wiederum in der Dauer der jeweiligen Verfahren niederschlagen.

Die Aufgabe, über den weiteren Verbleib eines Menschen in Österreich zu entscheiden, ist sicherlich keine einfache, sieht sich doch jede Richterin bzw. jeder Richter des Bundesverwaltungsgerichtes mit teilweise sehr tragischen Schicksalen konfrontiert.

Angesichts der neuen Regelungen im Asyl- und Fremdenrecht sowohl im Inland als auch auf EU-Ebene wird die Zeit zeigen, ob die bereits gesetzten oder aber in naher Zukunft geplanten Maßnahmen, eine Verbesserung bewirken.

Zu wünschen wäre dies im Sinne einer der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechend gelebten Solidarität jedem einzelnen Menschen, unabhängig seines Aufenthaltstatus‘.

Bericht: Mag. Patrizia Nachtnebel 

  

Veranstaltungsankündigung