Rückblick: Diskussion zur österreichischen Drogenpolitik

Gesundheit und Soziales
Donnerstag,
27
.6.
2013
 
Wien
Vereinigung Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen
Verein für Psychologie, Pädagogik und Psychotherapie
Vereinigung sozialdemokratischer Angehöriger in Gesundheits- und Sozialberufen
Sozialdemokratische Ärztinnen und Ärzte

Es diskutierten Dr.in Johanna Schopper (Gesundheitsministerium) in Vertretung von SC Hon.Prof. Dr. Gerhard Aigner, Prof. Dr. Alexander David (Drogenbeauftragter der Stadt Wien) DSAin Silvia Franke, MSc (Psychotherapeutin, Trainerin, Supervisorin), Mag.a (FH) Katharina Humer (Obfrau Österr. Verein der Drogenfachleute). Dr.in Barbara Auracher-Jäger, Vorsitzende der sozialdemokratischen JuristInnen, moderierte das Gespräch. Die lebhafte Debatte an diesem Abend umfasste u.a. folgende Punkte:

  1. Das Prinzip Therapie statt Strafe – eine der Grundlagen der österreichischen Drogenpolitik – hat sich über viele Jahre bewährt. Tausende Drogenkranke in Österreich konnten im Rahmen dieses Prinzips ein weitgehend normales Leben führen und wurden für sich selbst, für ihre Angehörigen und für die Gesellschaft nicht zum katastrophalen Problemfall.
  2. Um dieses Prinzip erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer aufeinander abgestimmten Vorgangsweise im Bereich der Gesundheit und der Justiz. Dies setzt überparteilichen Konsens und eine Entideologisierung der Drogenpolitik voraus.
  3. Die Diskussion um eine Neuordnung der österreichischen Drogenpolitik, die vom Innenministerium auf der Grundlage unseriöser Daten verlangt wurde, stellt diesen bewährten Konsens in Frage und hat zu einer obsoleten Re-Ideologisierung der Diskussion geführt.Unseriös in der Argumentation des Innenministeriums war vor allem die Behauptung, dass die Zahl jugendlicher DrogenkonsumentInnen im Steigen sei. Das Gegenteil ist der Fall. Jugendliche KonsumentInnen von harten Drogen sind österreichweit massiv zurückgegangen. So standen z.B. in Wien im Jahr 2003 ca. 190 Personen unter 18 Jahren in Substitutionstherapie, heute sind es weniger als 10 Personen unter 18 Jahren.
    Weiters wurde vom Innenministerium behauptet, dass abgezweigte Substitutionsmittel – insbesondere retardierte Morphine – den Schwarzmarkt überschwemmen. Auch das ist nicht richtig. Die von der Polizei sichergestellten Mengen an Heroin pro Jahr stellen ein Vielfaches der sichergestellten Mengen von abgezweigten Substitutionsmittel dar (im Verhältnis 1:50 bis 1:60).
  4. Wie schon Gesundheitsministerin Rauch-Kallat, versucht die derzeitige Innenministerin die Anwendung der Substitutionsbehandlung für Drogenabhängige einzuschränken, insbesondere die Verwendung von retardierten Morphinen in Frage zu stellen. Das ist abzulehnen. Der hohe Grad der Erreichbarkeit von Drogenkranken durch diese Behandlungsform ist das wichtigste Argument, die Substitutionsbehandlung in Österreich noch weiter auszubauen.
    Es ist leicht erkennbar, dass hinter den Argumenten des Innenministeriums der längst überholte Gedanke der Abstinenz als einziges Behandlungsziel steht.
  5. Sucht wird heute als chronisch rezidivierende Erkrankung des Nervensystems gesehen. Bei schweren Formen der Abhängigkeit kann nur eine Minderheit der Betroffenen eine Abstinenz erreichen und erhalten. Selbstverständlich sollten die Betroffenen, bei denen eine abstinenzorientierte Behandlung sinnvoll und realisierbar ist, diese erhalten. Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen aber wird therapeutische Maßnahmen benötigen, die ihnen ein Zurechtkommen mit ihrer chronischen Erkrankung und ein Überleben ermöglichen. Zu diesen Maßnahmen zählen neben der Substitutionsbehandlung psychosoziale Betreuung, Unterstützung zur sozialen Integration, Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und eine Reihe schadensbegrenzender Maßnahmen.
  6. Der Vorschlag des Innenministerium, zukünftig Haartests breit einzusetzen, insbesondere diese Testmethode auch zur Beurteilung der gesundheitsbezogenen Maßnahmen, die im Suchtmittelrecht definiert sind, einzusetzen, wird von Fachleuten abgelehnt.
    Haartests werden derzeit von der Polizei im Führerscheinbereich eingesetzt. Dort haben sie auch einen gewissen Stellenwert. Haartests haben, wie alle Testmethoden, Vorteile und Nachteile. Fachleute müssen die Grenzen der jeweiligen Testmethoden in der Praxis selbstverständlich beachten. Außerhalb des Führerscheinbereichs jedoch sind Haartests ein Instrument, das nicht tauglich ist.

Prof. Dr. Alexander David

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