Neutralität und Wehrpflicht

Innen- und Kommunalpolitik
Dienstag,
20
.11.
2012
 
Wien
Vereinigung Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen
Verband Sozialdemokratischer OffizierInnen und BeamtInnen des Bundesheeres

In einer am 20. November 2012  gemeinsam von der Vereinigung Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen/Fachgruppe JuristInnen im BSA sowie des Verbandes  Sozialdemokratischer Offiziere und Beamter des Bundesheeres im BSA organisierten Veranstaltung  mit dem Titel „Im Gespräch: Neutralität und Wehrpflicht“ wurde in Hinblick auf die für 20. Januar nächsten Jahres  anberaumte Volksbefragung über „Berufsheer oder allgemeine Wehrpflicht“ das Verhältnis von Neutralität und einer allenfalls daraus abzuleitenden Form des Wehrsystems behandelt.

Eingeleitet durch Impulsreferate von em. o.Univ.Prof. Dr. Theodor Öhlinger aus verfassungsrechtlicher  Sicht und Generalmajor Mag. Gregor Keller, Vorstandmitglied des Verbandes Sozialdemokratischer Offiziere und Beamter des Bundesheeres im BSA, mit der Moderation durch die Vorsitzende  der Fachgruppe JuristInnen im BSA, Dr.in Barbara Auracher-Jäger, wurde auf hohem sachlichen Niveau das Verhältnis von „Neutralität und Wehrpflicht“ eingehend diskutiert. Prof. Öhlinger wies mit sachkundiger Expertise darauf hin, dass die sogenannte „Immerwährende Neutralität“, seinerzeit von Österreich nach Abschluss des Staatsvertrages 1955 (und nach Abzug der alliierten Besatzungstruppen und als Teil eines „Operationskalenders“ zum Staatsvertrag), beschlossen wurde.  Allerdings hat die Neutralität Österreichs sich seither über die Jahrzehnte im Zusammenhang mit der internationalen geopolitischen Entwicklung und nicht zuletzt durch den Beitritt Österreichs zur EU nicht unwesentlich verändert. Österreich bekennt sich zu einer umfassenden Landesverteidigung (dazu gehören die militärische, die geistige, die zivile und wirtschaftliche Landesverteidigung) mit der Unabhängigkeit nach außen sowie der Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes, sowie auch zur Aufrechterhaltung der immerwährenden Neutralität, ebenso wie zu der Mitwirkung an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU und der internationalen Kooperation und Solidarität, insbesondere der Vereinten Nationen.

Wenngleich derzeit die allgemeine Wehrpflicht (Art. 9a Abs. 3 und 4 B-VG: „Jeder männliche Staatsbürger ist wehrpflichtig…  Wer die Erfüllung der Wehrpflicht aus Gewissensgründen verweigert und hievon befreit wird, hat die Pflicht einen Ersatzdienst (Zivildienst) zu leisten.“) und das Milizsystem (Art. 79  Abs.1 B-VG: „Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung. Es ist nach den Grundsätzen eines Milizsystem einzurichten.“) im B-VG enthalten ist,  ist aus der Neutralität an sich weder in völkerrechtlicher oder in verfassungsrechtlicher Sicht ein bestimmtes Wehrsystem (allgemeine Wehrpflicht oder Berufsheer oder Milizsystem)  geboten bzw. aus dieser ableitbar.

Wie ein Wehrsystem zu gestalten ist, ist im Wesentlichen von der allgemeinen bzw. geopolitischen Lage eines Staates, von seinem sicherheitspolitischen Umfeld und seinen gesellschaftlichen Bedingungen abhängig.

Für Österreich hat sich mit dem Ende des „Kalten Krieges“, mit dem Fall des „Eisernen Vorhanges“ und dem Zerfall des Ostblocks sowie letztlich auch dem Beitritt zur EU und in der weiteren Folge dem Vertrag von Lissabon gegenüber 1955 – dem Jahr des Staatsvertrages und der Entscheidung über die Immerwährende Neutralität  -  jedenfalls die sicherheitspolitische Lage entscheidend verändert. Dem Parlament liegt deshalb auch der Entwurf der Bundesregierung für eine (neue) „Sicherheitspolitische Doktrin“ vor, der aber bedauerlicherweise vom Nationalrat bisher nicht behandelt wurde. Eine solche, aktuelle Sicherheitsdoktrin wäre allerdings eine nicht unwesentliche Grundlage auch für jegliche Entscheidung in Hinblick auf die Gestaltung des Wehrsystems.

SC Dr. Wolf Frühauf

Veranstaltungsankündigung